Es gibt Substanzen, die tauchen plötzlich aus dem Schatten der Labore auf und versprechen alles: Heilung, Schmerzfreiheit, gar ein längeres Leben. Dimethylsulfoxid, kurz DMSO, ist genau so ein Fall. Einst ein unscheinbares Nebenprodukt der Holzindustrie, entdeckte man zufällig, dass es durch die Haut dringt, ohne Halt macht vor Zellmembranen, ja sogar die Blut-Hirn-Schranke durchbricht. Wissenschaftler waren fasziniert – und skeptisch zugleich. Denn wenn ein Stoff einfach so in den Körper eindringt, bringt er nicht nur Gutes mit sich.
Die ersten medizinischen Berichte zu DMSO stammen aus den 1960er Jahren, als Forscher herausfanden, dass diese unscheinbare Flüssigkeit eine entzündungshemmende, schmerzlindernde und gefäßerweiternde Wirkung hat. Ein gefundenes Fressen für Mediziner, die in dem Stoff eine Alternative zu Tabletten und Spritzen sahen. Statt Medikamente umständlich durch den Magen oder die Blutbahn zu schleusen, konnte DMSO sie direkt ins Gewebe transportieren. Besonders in der Schmerztherapie klang das wie ein Wunder. Patienten mit Arthritis, Rheuma oder Sehnenentzündungen berichteten, dass sie mit DMSO Salben eine deutliche Linderung erfuhren. Und nicht nur das: Es wurde auch als Neuroprotektivum erforscht, ein Stoff, der Hirnzellen nach einem Schlaganfall schützt, Entzündungen im Gehirn dämpft und vielleicht sogar neurodegenerative Erkrankungen wie Alzheimer beeinflussen kann.
Doch wo ein solcher Stoff auftaucht, da bleibt die Skepsis nicht aus. DMSO ist ein chemisches Chamäleon: Es verbindet sich mit anderen Substanzen und trägt sie durch die Haut direkt in den Körper. Das mag vorteilhaft sein, wenn es sich um ein Schmerzmittel oder einen entzündungshemmenden Wirkstoff handelt – doch was, wenn es dabei auch Schwermetalle, Pestizide oder andere Umweltgifte mitschleppt? Wer mit DMSO arbeitet, muss sicherstellen, dass seine Haut absolut sauber ist. Ein unbedachter Umgang könnte dazu führen, dass Chemikalien, die sonst nie ins Blut gelangen würden, plötzlich ihren Weg in den Organismus finden.
Ein weiteres Mysterium um DMSO ist sein auffälliger Effekt auf die Blut-Hirn-Schranke, die eigentlich unser Gehirn vor unerwünschten Stoffen schützt. DMSO überwindet sie mühelos – ein Umstand, der die Wissenschaft vor neue Fragen stellt. Könnte es als Transportmittel für Medikamente gegen Alzheimer oder Parkinson dienen? Oder öffnet es unkontrolliert die Tür für Giftstoffe, die dem Gehirn schweren Schaden zufügen könnten? Tierstudien deuten darauf hin, dass DMSO nach einem Schlaganfall das Absterben von Nervenzellen verringern kann, aber klinische Studien am Menschen stehen noch aus.
Neben der Neurologie ist es vor allem die Wundheilung und Kryomedizin, in der DMSO längst seine Daseinsberechtigung gefunden hat. In Salben wird es bei Hauterkrankungen wie Ekzemen oder Psoriasis eingesetzt, da es tief ins Gewebe vordringt und Entzündungen reduziert. Noch beeindruckender ist seine Rolle in der Kryokonservierung: Wenn Zellen eingefroren werden, verhindert DMSO, dass sie beim Auftauen zerplatzen. Ohne DMSO wäre die moderne Stammzellenforschung, künstliche Befruchtung oder Organtransplantation in ihrer heutigen Form kaum denkbar.
Doch DMSO ist ein zweischneidiges Schwert. Seine Nebenwirkungen sind nicht zu unterschätzen. Viele Anwender berichten von einem unvermeidlichen Nebeneffekt: Ein intensiver Knoblauchgeruch breitet sich aus – nicht nur aus dem Mund, sondern auch aus der Haut, weil der Körper DMSO über die Lunge und den Schweiß abbaut. Manche verspüren ein leichtes Brennen oder Jucken auf der Haut, während andere über Kopfschmerzen oder Schwindel klagen. Besonders bedenklich: In hohen Konzentrationen kann DMSO toxisch auf Leber und Nieren wirken.
Vielleicht ist das der Grund, warum die Schulmedizin noch immer auf Abstand bleibt. Obwohl es in der Alternativmedizin als Geheimtipp kursiert, ist DMSO in vielen Ländern nur für bestimmte Anwendungen zugelassen. Die Pharmaindustrie hat wenig Interesse an einem Stoff, der so vielseitig und dabei so günstig ist – denn DMSO kann nicht patentiert werden. Groß angelegte Studien, die zweifelsfrei belegen, dass es sicher und wirksam ist, fehlen bis heute.
Und so bleibt DMSO ein Stoff zwischen Wissenschaft und Mythos. Ein Mittel, das Forscher fasziniert, Ärzte skeptisch macht und Patienten Hoffnung gibt. Vielleicht wird es eines Tages in der modernen Medizin seinen festen Platz finden. Oder es bleibt ein kurioses Randphänomen, das von alternativen Heilkundlern geschätzt und von Schulmedizinern ignoriert wird. Sicher ist nur: DMSO ist nicht einfach irgendeine chemische Verbindung. Es ist eine Substanz, die Grenzen überschreitet – im besten wie im gefährlichsten Sinne.
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