Die Sage über den Starnberger Tee, Krone de Bavaria, 1876

Wir schreiben das Jahr 1876. Ein einfaches Fischerboot gleitet im Spätherbst vom Ufer des Starnberger Sees hinüber zur malerisch gelegenen Roseninsel. Der Fischer von Possenhofen ist es gewohnt, Diskretion zu bewahren, dient das einfache Sommerhaus auf der Insel dem Königshaus seit jeher als Rückzugs- und Erholungsort von drängenden Staatsaufgaben und Verpflichtungen. Ludwig der Zweite hat es gerade für unbestimmte Zeit einer hochangesehenen Person, seiner Cousine, der Kaiserin von Österreich, zur Verfügung gestellt. Sissi persönlich sitzt im Nachen des Fischers, will anonym bleiben, unerkannt und unbehelligt von den dramatischen Zeitenwenden. Den Schlüssel für das in toskanischem Stil gebaute Haus hatte ihr der König an diesem Morgen bei einem gemeinsamen vertraulichen Frühstück in Schloss Berg überlassen.

Sissi fühlt sich nicht wohl, nicht nur weil ihr Hofetikette und Verpflichtungen aufs Gemüt drücken. In ihrem schlichten Köfferchen aber hat sie ein Heilmittel, das ihre Probleme zu lindern vermag. Ein Heilmittel, natürlich, stärkend, erholsam!

Wie kam es dazu? Einige Jahre davor war sie, die exzellente Reiterin, im Morgengrauen auf ihrem geliebten Braunen von Possenhofen nach Andechs unterwegs gewesen. Als sie ihr Reitpferd an einer klaren Quelle inmitten der klösterlichen Wälder tränkte, gewahrte sie einen alten Mönch, der neben dem lustig sprudelnden Bächlein in einem Korb verschiedenste Kräutlein sammelte. Neugierig geworden verhüllte Sissi ihr Haupthaar mit einem Tuch und sprach den frommen Mann an:

„Was machen Sie am frühen Morgen schon mitten im Wald, werter Bruder?“

Lächelnd antwortete der Kuttenträger: „Der Wald ist mein Zuhause. Ich bin ein Eremit, der in der kleinen Klause neben der Kapelle da drüben lebt!“

„Entschuldigen Sie meine Neugier, aber was sammeln Sie in ihrem Korb?“

„Heilkräuter der wirksamsten Art!“ antwortete das Mönchlein. „Eine weiße Hirschkuh, die ein Kreuz zwischen ihren Lauschern trug, hat mir einst an einem hohen Marientag diesen wundersamen Platz gezeigt! Aus den getrockneten Kräutern mische ich verschiedene Sorten von Tee, um den Menschen Linderung bei manchen Leiden zu ermöglichen.“

Die sportliche, wunderschöne Kaiserin, die trotz ihrer hohen Reitkunst des Öfteren von einem Wirbelsturm der Gefühle geplagt war, frug ihn direkt:

„Können Sie mir einen Tee verkaufen, der ein wenig mehr Harmonie über mein mitunter aufgewühltes Gemüt legt?“

Lächelnd erwiderte der Bruder: „Verkaufen kann ich nichts, aber gegen eine Spende zur Erhaltung der Klause können Sie von mir diese Gottesgaben erhalten!“

Aus dieser Jahre zurückliegenden Begegnung entstand mit der Zeit eine vertraute Freundschaft zwischen der Kaiserin und dem Eremiten, immer wieder besuchte sie auf ihren Possenhofener Ausritten den Einsiedler, erhielt getrocknete Teekräuter und ließ sich im Gegenzug beim Erhalt der Klause nicht lumpen. Im Kaiserhaus, aber auch beim Gesinde verteilte Sissi ihre verschiedensten Kräutertees. Unter anderem ließ sie dem an einer Lungenentzündung leidenden Richard Wagner Richard einen Bronchialtee aus der Klause zukommen. Richard Wagner kurierte mit Hilfe dieses Tees seine Lungenentzündung und Hustenanfälle aus und konnte im Sommer 1876 die Festspiele eröffnen. König Ludwig II. dankte ihr dafür herzlich in einem leider verschollenen Brief.

An diese von den Nebeln des Vergangenen umhüllten Begebenheiten erinnert sich Sissi, als das Fischerboot sanft an der Roseninsel anlandet. Die helfende Hand des Fischers benötigt sie nicht, geschickt springt sie ans Ufer. In der Hand hält sie ein verschnürtes Leinensäckchen,in dem die frische Mischung an wohltuenden Kräutern eine wunderbare Verbindung eingegangen war.

Alle Wohlgerüche der lieblichen oberbayrischen Heimat, des geliebten Starnbergersees und der Wälder und Auen fanden sich darin wieder. Sissi setzt in der einfachen Küche des Sommerhauses eigenhändig Wasser auf, die Mischung wird aufgegossen, und sie zieht den Wohlgeruch durch ihr hübsches Näschen ein: Eine Aromenvielfalt eröffnet sich ihr, eine Krönung an Düften!


In diesem Augenblick fällt ihr ein würdiger Name für die wundersame Mischung ein:

STARNBERGER TEE, KRONE DER BAVARIA!